Welcher Youngtimer lohnt sich? Finger weg von diesen Autos!

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Sie waren die Helden der Kindheit und Jugend. Autos, die man aus der eigenen Familie kennt: Opa fuhr Ford Escort, Papa Audi 80 und die erste Freundin wurde im Golf 3 umherkutschiert. Die Autowelt der 80er und 90er Jahre war extrem vielschichtig, viele Fahrzeuge erlebten auch durch Kinofilme oder Werbespots einen Boom. Jetzt sind die, die damals Kinder waren, erwachsen. Und die Augen leuchten noch immer…

Man ist nun selbst Familienvater, steht mit beiden Beinen im Leben und hat vielleicht das nötige Ersparte, um sich ein Stück Kindheit oder Jugend zurückzukaufen.

  • Welche Fahrzeuge haben echtes Potenzial in der Wertentwicklung?
  • Welche Modell sind interessant und von welchen sollte man die Finger lassen?


OCC hat mit Frank Wilke (Foto), Chef des Bochumer Marktspezialisten von classic-analytics, über interessante Youngtimer und Newtimer gesprochen.

Herr Wilke, Youngtimer und Newtimer gelten oft als Einstieg in die Oldtimer-Szene. Trotz überschaubarem Budget locken interessante Modelle – ist das wirklich so?
Frank Wilke: „Das ist völlig richtig, in keinem anderen Segment ist derzeit so viel Bewegung wie bei den Autos der späten 80er bis frühen 2000er Jahre und das liegt nicht nur am Preis, sondern an vielen anderen Gründen. Diejenigen, die damals Kinder, Schüler oder Studenten waren und sich an den Scheiben der Autohändler die Nasen plattgedrückt haben, sind jetzt in einem Alter angekommen, in dem sie sich ihre Jugendträume erfüllen wollen und können. Auf dem Wunschzettel stehen dann nicht mehr VW Karmann Ghia, BMW 3.0CS oder Mercedes-Benz 280SL, sondern VW Corrado, BMW Z3 Coupé oder Mercedes-Benz SLK.

Lieber 6000 Euro für schönen MX-5 als 2000 Euro für Bastlerfahrzeug

Und noch etwas ist anders: Viele dieser Einsteiger möchten nicht schrauben oder gar restaurieren, sie möchten fahren und das möglichst problemlos und pannenfrei, an die Alltagstauglichkeit und Zuverlässigkeit stellen sie deutlich andere Anforderungen als die Oldtimerfahrer der 70er und 80er Jahre. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum sie nach Möglichkeit etwas mehr Geld für ein gut erhaltenes Exemplar als etwas weniger Geld für ein Bastelobjekt ausgeben. Der finanzielle Unterschied zwischen mäßigen und guten Modellen ist, absolut gesehen, bei Youngtimern oft sehr gering und wenn man für 6000 Euro einen schönen Mazda MX-5 bekommt, dann macht es wenig Sinn sich stattdessen für 2000 Euro ein reparaturbedürftiges Exemplar anzutun. Stichwort Reparaturen: In Sachen Qualität, Haltbarkeit und Reparaturfreundlichkeit waren viele Hersteller, insbesondere Audi, VW und Mercedes, um 1990 herum auf einem vorläufigen Höhepunkt angelangt, ab Ende der 90er Jahre wurde dann aufgrund konzerninterner Sparmaßnahmen an der Qualität gespart, die Autos fingen teilweise wieder an zu rosten und es wurden immer mehr störungsanfällige elektronische Bauteile verwendet."

Welche Youngtimer/Newtimer haben Potential, welche Fahrzeuge könnte man in Sammlungen aufnehmen und welche sind – absehbar – eine kleine Wertanlage?
Frank Wilke: "Grundsätzlich ist eigentlich jeder Youngtimer aus dem genannten Zeitraum eine Wertanlage, denn billiger werden diese Autos unter normalen Umständen nicht mehr. Man darf allerdings bei Großserienautos an die Wertentwicklung keine übertriebenen Anforderungen stellen. Wer sich heute für 4000 Euro einen Fiat Barchetta kauft, der ist in 20 Jahren nicht automatisch Millionär!
In den meisten Fällen kann man die Inflation mehr als auffangen, was bleibt, sind die Kosten für Wartung und Reparatur. Damit die Bilanz möglichst günstig ausfällt, ist es daher gerade bei Youngtimern wichtig, ein gutes Exemplar zum marktgerechten Preis zu kaufen, damit sich die Reparaturkosten in Grenzen halten. Wichtig ist auch die artgerechte Nutzung mit nur ein paar tausend gefahrenen Kilometern pro Jahr - aber das ergibt sich ja eigentlich bereits aus den Bedingungen der Oldtimerversicherung. Es gibt unter den Youngtimerfans übrigens die Kategorie der „Kilometersammler“, die nach unrestaurierten Autos mit möglichst geringer Laufleistung Ausschau halten."

Begehrt sind niedrige Tachostände oder seltsame Farben
"Besonders begehrt sind dabei vier- oder gar dreistellige Tachostände. Der Wert dieser Autos, die in den USA gern „time capsules“ genannt werden, liegt meistens deutlich über dem eines gut erhaltenen, aber regelmäßig genutzten Fahrzeugs. Oft sind es Ladenhüter, zum Beispiel magere Grundmodelle in seltsamen Farben, die bei Neuwagenhändlern auf dem Land in der hintersten Ecke des Verkaufsraums standen und längst aus der Bilanz verschwunden waren. Es hat aber auch schon Fälle gegeben, in denen ein Unternehmer kurz vor Ende des Geschäftsjahres noch schnell einen Mercedes SL als Geschäftswagen gekauft hat, um den Gewinn etwas zu minimieren – das Auto selbst war ihm völlig egal, es stand 20 Jahre ohne Zulassung in der Garage. Größeres Wertsteigerungspotenzial haben natürlich leistungsstarke, fahraktive Autos von Premiumherstellern, zum Beispiel Porsche 911 oder BMW M3 CSL. Am oberen Ende der Nahrungskette stehen typischerweise Autos, die schon als Neuwagen eher ein Sammlerstück waren: zum Beispiel McLaren F1, die ersten Koenigsegg oder Pagani-Modelle. Hingegen sind die Preise für sogenannte Supercars wie Ferrari F50 oder Enzo nach einem jahrelangen Hype zuletzt wieder etwas gesunken."

Gibt es Youngtimer, die in der Fachwelt und Szene zuerst für Furore und große Erwartungen sorgten, aber dann enttäuschten? Wenn ja, warum?
Frank Wilke: "Auf jeden Fall gibt es Autos, um die als Neuwagen ein großer Hype gemacht wird, die sich zunächst gut verkaufen, die dann als Gebrauchtwagen und Youngtimer aber einbrechen – meistens hat das auch einen Grund! Ein Beispiel dafür ist der Chrysler P/T Cruiser, ein Mittelklasseauto, das durch sein ungewöhnliches Retro-Design im Stil eines amerikanischen Station-Wagon der 40er Jahre für ein paar Jahre erstmal „in“ war. Leider war die Qualität in fast allen Bereichen so unterirdisch, dass er sich als Gebrauchtwagen schnell zur Standuhr entwickelt hat und dieses Image drückt auch jetzt immer noch das Preisniveau. Generell gilt die Faustregel, dass Autos, die als Neu- und Gebrauchtwagen beliebt sind, es auch als Youngtimer bleiben."

Von welchen Youngtimern sollten Anfänger eher die Finger lassen?
Frank Wilke: "Wer erstmal fahren und nicht schrauben möchte, der sollte lieber etwas mehr Geld investieren und sich ein Auto im guten Zustand kaufen – möglichst kein Modell, das reparaturanfällig ist oder eine schlechte Ersatzteilversorgung hat. Eine gute Übersicht darüber bietet der Youngtimer-Kaufratgeber von Motor Klassik, dort werden über 100 Modelle mit ihren Vor- und Nachteilen aufgeführt und auch typische Ersatzteilpreise angegeben. Wie bei normalen Gebrauchtwagen sollte man sich auch im Youngtimerbereich nicht von günstigen Einstiegspreisen für einstmals teure Oberklassemodelle blenden lassen. Modelle wie Mercedes S-Klasse, BMW 7er oder Audi A8 bieten zwar viel Auto fürs Geld, bergen aber auch das Risiko teurer Reparaturen, dabei reden wir heute nicht mehr von Motor- oder Rostschäden, sondern von vielen kleinen Steuergeräten, die nacheinander den Dienst einstellen."

Lohnen sich Importe von Youngtimern aus Japan oder den USA preislich und was gilt es zu beachten?
Frank Wilke:
"Speziell Japan-Importe locken oft mit extrem niedrigen Laufleistungen – mindestens ebenso wichtig ist aber auch eine nachvollziehbare Wartungshistorie, die diese Laufleistung belegt und die Auskunft darüber gibt, ob das Auto regelmäßig zur Inspektion gegangen ist. Idealerweise gibt es zum Auto ein Servicescheckheft oder sogar Rechnungen. Bei den Autos, die in japanischen Online-Gebrauchtwagenauktionen angeboten werden, ist das oft unklar, deshalb werden sie oft unterhalb des marktüblichen Preises verkauft. Bei Autos ab Mitte der 90er Jahre besteht der Vorteil, dass sich europäische Version und Exportversion nicht mehr so deutlich voneinander unterscheiden wie in den 70er und 80er Jahren, trotzdem gibt es Kleinigkeiten umzurüsten, zum Beispiel Scheinwerfer oder Radios. Bei Sportwagen sollte man versuchen, herauszufinden, wo der Wagen zugelassen war, ein Ferrari 360 Modena, der 50000 Kilometer im Tokioter Stadtverkehr abgespult hat, ist vielleicht nicht die erste Wahl! Bleibt zum Schluss noch die Geschmacksfrage: Speziell das Farbempfinden in den USA entspricht nicht immer dem europäischen Geschmack, deshalb sind weiße Porsche 911 Cabrios mit cremefarbenen Sitzen bei uns tendenziell eher günstiger." (dr)


Fotos: Classic Trader | Greg Gjerdingen from Willmar, USA - 02 Chrysler PT Cruiser, CC BY 2.0, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=69264311 |
OSX - Eigenes Werk, Gemeinfrei, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=411869321 | classic-analytics

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